Editorial: Die individuelle Abgabenlast steigt weiter
Lieber Leser,
der 26. Juli 2012, auch „Tax Freedom Day“ genannt, ist ein besonderer Tag für den französischen Steuerbürger. Ab diesem Zeitpunkt, so die Berechnungen des Privatinstitutes Molinari, arbeiten die Franzosen nicht mehr für den Staat, sondern endlich für ihre eigene Kaufkraft.
Es handelt sich um eine seit vielen Jahren bestehende Analyse der Tax Foundation, die für die einzelnen Staaten den Anteil eines mittleren Arbeitnehmereinkommens errechnet, der von der öffentlichen Hand für die Ausgabendeckung herangezogen wird.
Bei dieser Berechnung befindet sich Frankreich seit vielen Jahren in der Spitzengruppe. In 2012 wird die Belastungsquote, die auf den hiesigen Steuerpflichtigen liegt, innerhalb der 27 europäischen Staaten nur noch von Belgien überboten. Nach der französischen Wirtschaftszeitung „Les Echos“ vom 23. Juli 2012 muss ein französischer Arbeitnehmer 230 € Mehrwert erzeugen, damit ihm 100 € in der eigenen Tasche verbleiben. Zum Vergleich: In Deutschland bedarf es hierzu eines Betrages von 211 € und in Großbritannien von 157 €.
Leider wird die bestehende Abgabenquote auch in nächster Zukunft nicht sinken, sondern sogar weiter steigen. Die neue Regierung hat voll auf zusätzliche Steuereinnahmen bei den natürlichen Personen gesetzt. Nebenbei ein Vorgang, der bereits von dem abgewählten Präsidenten Sarkozy für 2012 in die Wege geleitet und unverändert übernommen wurde. Hinzu kommt die beabsichtigte Einführung eines Spitzensteuersatzes von 75% auf Einkommen über 1 Mio. € – die Modalitäten und das notwendige Gesetzt liegen hierfür aber noch nicht vor.
Durch die Rückgängigmachung der für Oktober 2012 bereits beschlossenen Mehrwertsteuererhöhung auf 21,2% fehlt es darüber hinaus an geplanten Einnahmen.
Es wird nunmehr über eine Anhebung der Sondersozialabgabe („contribution sociale généralisée“), die durch Direkteinbehalt und ohne Freigrenze von allen Einkommensempfängern erhoben wird, nachgedacht. Damit würden auch die Geringverdiener von Steuererhöhungen nicht ausgespart bleiben.
Weitere Steuerbelastungen werden folgen, und der „Tax Freedom Day“ könnte nächstes Jahr im August stattfinden.
Viel Spaß bei der Lektüre der vorliegenden Ausgabe und einige Anregungen für Ihr Tagesgeschäft wünscht Ihnen
Ihre DiagnosticNews-Redaktion
Dr. Kurt Schlotthauer
kschlotthauer@coffra.fr